Offener Brief zu den Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Hamburg
Antirassistische Solidarität und Kritik lassen sich nicht verbieten!
Am 27.7.2012 wurde in einer mit vielen PolizistInnen und Wachleuten
abgesicherten Abschiebeaktion der Hamburger Ausländerbehörde in der
Unterkunft Billstieg eine Romafamilie aus Mazedonien
auseinandergerissen. Der kurz zuvor aus der Psychiatrie entlassene Vater
der siebenköpfigen Familie wurde abgeschoben. Die Abschiebung weiterer
Familienmitglieder und der Mutter scheiterte nur daran, dass sich ein
Teil der Kinder auf einer Ferienfreizeit der "Falken" auf der Insel Föhr
befanden.
Freunde der Betroffenen informierten Menschen aus dem Hamburger
Flüchtlingsrat und der Gruppe "kein mensch ist illegal", die sich seit
zwei Jahren gemeinsam mit den von Abschiebung Bedrohten in der
Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Hamburg um ein Bleiberecht für die
Familien bemühen. Die direkt und indirekt Betroffenen hatten aufgrund
ihres unsicheren Aufenthalts Angst, den Vorgang selbst öffentlich zu
machen. Aufgrund der hohen Übereinstimmung der Beschreibungen vieler
Anwesender machte deshalb die UnterstützerInnengruppe die näheren
Umstände der Abschiebeaktion öffentlich, so wie diese von den
Augenzeugen beschrieben worden waren. Auch der abgeschobene
Familienvater bestätigte ihre Schilderungen am nächsten Tag in einem per
Skype geführten Gespräch. Eine Einzelperson wurde als Ansprechpartner
benannt und gab der Presse auf Nachfrage die erhaltenen Informationen
weiter. In den Folgetagen berichteten zahlreiche Hamburger Medien über
diese Abschiebung.
Vor diesem Hintergrund leitete die Dienststelle für Interne Ermittlungen
(DIE) am 30.7.2012 ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Mitarbeiterinnen
der Ausländerbehörde wegen des Verdachts der Nötigung ein. Bereits am
2.8.2102 wusste der Innensenator das Ergebnis der gerade erst begonnen
Ermittlungen: Die Ausländerbehörde habe sich nichts vorzuwerfen. Es habe
ein "ruhiges und friedliches Gespräch" stattgefunden, worauf hin der
Familienvater "freiwillig zum Flughafen gefahren" sei (Hamburger
Morgenpost, 3.8.12).
Nachdem die staatsanwaltlichen Ermittlungen Anfang September 2012
eingestellt und auch die Restfamilie abgeschoben worden war, stellte die
Innenbehörde eine Woche später aufgrund der Presseberichte Strafanzeige
wegen "übler Nachrede" gegen die o.g. Einzelperson und die
Staatschutzabteilung des Landeskriminalamts Hamburg begann gegen diese
zu ermitteln.
Im August 2011 hatte Innensenator Michael Neumann erklärt: "Jeder
einzelne Bürger ist dazu aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen. Wenn
jemand mitbekommt, dass sich Mitmenschen respektlos verhalten, sollte er
den Mut haben, diese darauf hinzuweisen."(Hamburger Abendblatt
12.8.2011)
Wir, die unterzeichnenden Gruppen und Einzelpersonen, sehen die in der
Tat notwendige Zivilcourage in Gefahr, wenn Menschen kriminalisiert
werden, die praktische Solidarität mit Flüchtlingen und
MigrantInnengruppen zeigen, die in dieser Gesellschaft ausgegrenzt und
nicht willkommen sind. Der überwiegende Teil der Unterstützung ist
ohnehin unsichtbar und wird von vielen Menschen ehrenamtlich geleistet.
Wenn der öffentlich sichtbare Teil der Solidarität kriminalisiert werden
soll, ist die Gesellschaft in Gefahr, sich endgültig vom Gedanken der
Solidarität zu verabschieden.
Das können und werden wir nicht hinnehmen
und fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungen!
Wer den offenen Brief unterschreiben möchte
bitte eine mail schreiben:
do.zirkel@zirkeldesign.de
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen